Die 3000er der Sierra Nevada in Andalusien - Giganten im Süden Spaniens

Die 3000er der Sierra Nevada in Andalusien - Giganten im Süden Spaniens

Die Sierra Nevada und der Mulhacén: Eine Geowissenschaftliche und Alpinistische Analyse des Dachs der Iberischen Halbinsel

Einleitung: Geographische und ökologische Bedeutung der Sierra Nevada

Die Sierra Nevada ist ein zentraler Gebirgszug im Süden Spaniens, der sich über etwa 100 Kilometer erstreckt und die Provinzen Granada und Almería in der autonomen Region Andalusien umfasst. Sie ist ein herausragender Teil der Betischen Kordillere und gilt als das höchste Gebirge der Iberischen Halbinsel sowie das bedeutendste Hochgebirge in Kontinentaleuropa außerhalb der Alpen und des Kaukasus. Seit 1999 ist ihr Kerngebiet von 86.208 Hektar als Nationalpark geschützt, was ihren außergewöhnlichen ökologischen Wert unterstreicht.   

Das Gebirge fungiert als eine entscheidende ökologische Einheit und ist ein lebenswichtiger Wasserlieferant für die trockenen umliegenden Regionen und die Küstengegenden Andalusiens. Dieses hydrologische System, gespeist durch Schneeschmelze und Niederschläge in den höheren Lagen, ist von immenser Bedeutung für die Landwirtschaft, die Trinkwasserversorgung und die lokale Wirtschaft. Es ist wichtig, dieses Gebirge klar von der gleichnamigen Bergkette in den Vereinigten Staaten zu unterscheiden, die häufig mit den Rocky Mountains oder dem Yosemite-Nationalpark in Verbindung gebracht wird. Die spanische Sierra Nevada ist ein geografisch und geologisch eigenständiges System, dessen einzigartige Eigenschaften eine eingehende Betrachtung erfordern.   

Geologie und Orogenese: Das tektonische Erbe der Iberischen Halbinsel

Die Entstehung der Sierra Nevada ist das Ergebnis einer komplexen geologischen Geschichte, die maßgeblich von der alpidischen Orogenese geprägt wurde. Diese Gebirgsbildung, die vor 100 bis 50 Millionen Jahren stattfand, führte zur Auffaltung eines Faltengebirges durch die Kollision konvergenter Plattenränder. Dabei wurde auch älteres, aus der variszischen Gebirgsbildung stammendes Gesteinsmaterial in die Struktur integriert. Die geologische Vielfalt des Gebirges spiegelt sich in seiner Topographie wider, die durch das abrupte Nebeneinander verschiedener Gesteinsarten gekennzeichnet ist.   

Kalkdominierte Bereiche des Gebirges zeigen sich als schroffe, von intensiver Abtragung gezeichnete Landschaften. Diese Gesteine sind anfällig für Verwitterung, was zu zerklüftetem Gesteinsmaterial und scharfen Graten führt. Im Gegensatz dazu sind die kristallinen Gesteinsarten widerstandsfähiger gegenüber Erosion und prägen die Landschaft mit sanften, gerundeten Konturen. Die unterschiedliche Widerstandsfähigkeit der Gesteine gegen Verwitterung und Abtragung ist der primäre Grund für die abwechslungsreiche und vielseitige Landschaftsstruktur der Sierra Nevada.   

Die jüngere geologische Geschichte des Gebirges ist durch die letzte Vereisungsphase gekennzeichnet, die markante Spuren hinterlassen hat. Glaziale Überprägung formte U-Täler, schuf Hochmoore und hinterließ Moränen. Diese Strukturen sind nicht nur geologische Zeugnisse, sondern spielen auch eine entscheidende Rolle in der Hydrologie des Gebirges. Moränen und Hochmoore wirken wie natürliche Schwämme, die Wasser speichern und es langsam an die tiefer gelegenen Regionen abgeben. Diese Wasserregulierung ist es, die die Sierra Nevada zu einem unverzichtbaren Wasserspeicher für die umliegende Region macht.   

 

Vegetationsstufen und Biodiversität: Einzigartige Flora am südlichsten Rand Europas

Die vertikale Zonierung der Vegetation in der Sierra Nevada ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Anpassung von Pflanzen an unterschiedliche klimatische Bedingungen in großer Höhe. Die Flora des Gebirges lässt sich in fünf mediterrane Gebirgsstufen unterteilen, die von der Talsohle bis zu den höchsten Gipfeln reichen.   

Die unterste Stufe, die mediterrane Stufe, erstreckt sich bis etwa 1600 Meter Höhe. Hier dominieren immergrüne Laubbäume, wobei die Steineiche (Quercus ilex) der vorherrschende Baumtyp ist. Darüber schließt sich die Laubwaldstufe an, die durch laubabwerfende Bäume, insbesondere die Pyrenäen-Eiche (Quercus pyrenaica), geprägt ist. In der Vergangenheit wurden Teile dieser Eichenwälder in Kastanienhaine umgewandelt, was die lange Geschichte menschlicher Einflussnahme auf die Landschaft verdeutlicht.   

Ab etwa 1800 Metern beginnt eine Übergangsstufe mit Nadelhölzern, bis schließlich die Baumgrenze erreicht wird. Eine bemerkenswerte Besonderheit ist hier das Vorkommen der Waldkiefer (Pinus sylvestris), die in diesem Gebirge ihr südlichstes Verbreitungsgebiet in Europa findet. Dies unterstreicht die biogeographische Bedeutung der Sierra Nevada als Refugium für Arten, die andernorts in Europa weiter nördlich beheimatet sind. Oberhalb der Baumgrenze folgt die subalpine Stufe, die durch dichte Zwergsträucher, vorwiegend Wacholder, gekennzeichnet ist. Die Windexposition ist in dieser Zone ein wichtiger Faktor für das Überleben der Pflanzen. Die höchste Stufe, die alpine Stufe, ist durch widerstandsfähige alpine Gräser geprägt, die Matten bilden und den extremen Wetterbedingungen standhalten. Neben der vielfältigen Flora bietet das Gebirge auch Lebensraum für eine reiche Tierwelt, darunter Steinböcke, Adler, Geier und Wildkatzen.  

 

Die "Giganten" der Sierra Nevada: Die höchsten Gipfel

Die Sierra Nevada beherbergt eine beeindruckende Anzahl von Gipfeln, die die 3.000-Meter-Marke überschreiten, oft als "Tres Miles" bezeichnet. Drei Berge stechen dabei besonders hervor: der Mulhacén, der Pico del Veleta und die Alcazaba, die zusammen die höchsten Erhebungen des Gebirges bilden. 

Der Mulhacén ist mit 3.482 Metern der höchste Gipfel der Sierra Nevada und des spanischen Festlands. Er ist zudem der dritthöchste Berg Westeuropas nach seiner Prominenz (Schartenhöhe), nur übertroffen vom Mont Blanc und dem Ätna. Geringfügige Unterschiede in den Höhenangaben, wie 3.479 Meter oder 3.481 Meter, sind auf verschiedene Messzeitpunkte und -methoden zurückzuführen und beeinträchtigen nicht seine Position als höchster Berg. 

Der Pico del Veleta ist mit 3.393 Metern der zweithöchste Gipfel und von besonderer Bedeutung, da sich an seinen Nordwestflanken das Skigebiet Sierra Nevada befindet. Die Alcazaba  vervollständigt das Trio mit einer Höhe von 3.371 Metern als dritthöchster Gipfel.   

 

Die folgende Tabelle gibt einen detaillierten Überblick über die höchsten Gipfel der Sierra Nevada, die alle über 3.000 Meter hoch sind.

Gipfel (> 3.000 m) Höhe (m)
Mulhacén 3482
Pico del Veleta 3393
Alcazaba 3371
Cerro los Machos 3324
Puntal de Siete Lagunas 3248
Puntal de la Caldera 3226
Pico de Elorrieta 3206
Crestones Río Seco 3198
Loma Pelada 3187
Cerro Pelado 3179
Tajos de la Virgen 3160
Tosal del Cartujo 3152
Pico de La Atalaya 3148
Puntal de Vacares 3143
Cerro Rasero 3139
Tajos del Nevero 3120
Raspones Río Seco 3120
Tajos Altos 3111
Picón de Jeres 3090
Tajo de los Machos 3088
Cerrillo Redondo 3058
Juego de Bolos 3018
Pico del Caballo 3013


 

 

Skigebiet Sierra Nevada: Wintervergnügen am Pico del Veleta

Das Skigebiet Sierra Nevada, Europas südlichstes Skigebiet, liegt am Fuße des Pico del Veleta und nicht am Mulhacén. Es befindet sich etwa 30 Kilometer südöstlich von Granada und ist über die Ortschaft Pradollano (auch Sol y Nieve genannt) zugänglich. Das Skigebiet erstreckt sich von einer Basishöhe von 2.100 Metern in Pradollano bis zu einer Gipfelhöhe von knapp 3.300 Metern.   

Die Infrastruktur umfasst 115 Pisten mit einer Gesamtlänge von 100 Kilometern, die von einem umfassenden Liftsystem bedient werden, darunter zwei Seilbahnen und 17 Sessellifte. Die Saison dauert in der Regel von Ende November bis Ende April. Das Skigebiet ist bekannt für seine sonnigen Tage, aber aufgrund der Prominenz des Veleta können starke Winde problematisch sein. Ein Großteil der Besucher sind Einheimische, was dazu führt, dass das Skigebiet an Wochenenden deutlich stärker frequentiert ist.  

Die Seilbahnen und einige Sessellifte werden auch in den Sommermonaten Juli und August betrieben, um Wanderern und Bergsteigern den Zugang zu den höheren Lagen zu erleichtern. Diese Strategie der dualen Nutzung optimiert die touristische Wertschöpfung und sichert die Infrastruktur über das ganze Jahr hinweg.   

Der Mulhacén: Vom Namensgeber zur Gipfelkrone

Der Mulhacén, mit einer Höhe von 3.482 Metern der höchste Gipfel des spanischen Festlands, ist nicht nur eine geographische, sondern auch eine historische und alpinistische Ikone. Sein Name leitet sich von Abu l-Hasan Ali, dem vorletzten Nasriden-Herrscher von Granada, ab, der im Spanischen als Muley Hacén bekannt war und der Legende nach auf dem Gipfel begraben wurde.   

Der Berg ist, verglichen mit anderen Gipfeln dieser Höhe, nicht außergewöhnlich steil. Die Südflanke ist sanft ansteigend und technisch unproblematisch, was den Mulhacén auch für Wanderer zugänglich macht, die keine alpinen Kletterkenntnisse besitzen. Die Nordseite hingegen ist deutlich steiler und hält oft Schnee und Eis, was die Besteigung anspruchsvoller gestaltet. Der Gipfel selbst ist kein spitzer Felsgrat, sondern ein weites Plateau, auf dem ein geodätischer Pfeiler steht. Hier befindet sich auch ein kleines Heiligtum mit einem Schrein der Jungfrau im Schnee, an dem Bergsteiger traditionell Tücher oder Fahnen hinterlassen. Von hier aus reicht der Panoramablick an klaren Tagen bis zum Mittelmeer und zur afrikanischen Küste.   

Routen und Vorbereitung zur Besteigung des Mulhacén

Die Besteigung des Mulhacén ist ein begehrtes Ziel für Wanderer und Bergsteiger. Es ist wichtig zu beachten, dass keine Genehmigung für den Aufstieg erforderlich ist. Die Regelungen im Nationalpark erlauben das Biwakieren in Höhen über 1600 Metern unter bestimmten Bedingungen, das Wildcampen ist jedoch strikt untersagt. Die Wahl der Route hängt stark vom individuellen Fitnesslevel und der geplanten Dauer der Tour ab.  

Die klassische Sommerroute über den Alto del Chorrillo

Die einfachste und am häufigsten genutzte Route im Sommer beginnt am Alto del Chorrillo, einer Hochebene auf etwa 2.700 Metern. Dieser Ausgangspunkt ist bequem mit einem vorab reservierten Minibus vom Dorf Capileira aus erreichbar. Von hier aus handelt es sich um eine technisch unkomplizierte Rundwanderung, die über 11,3 Kilometer führt und 778 Höhenmeter überwindet. Die gesamte Tour dauert etwa 4,5 Stunden und bietet kontinuierlich atemberaubende Ausblicke auf die umliegende Landschaft und das Mittelmeer. Die Existenz des Busservices schafft eine wichtige Flexibilität und ermöglicht auch weniger erfahrenen Wanderern den Zugang zu den Hochlagen, ohne die physische Anstrengung eines langen Aufstiegs von der Talsohle.   

Die anspruchsvolle Poqueira-Route

Für erfahrene Alpinisten bietet die Route durch das Poqueira-Tal eine anspruchsvolle Tages- oder Zweitagestour. Der Aufstieg beginnt am Kraftwerk Poqueira in 1.500 Metern Höhe und führt über das bewirtschaftete Refugio de Poqueira auf 2.496 Metern. Von dort aus geht es weiter zur unbewirtschafteten Biwakhütte Refugio de la Caldera auf 3.065 Metern, bevor der letzte steile Anstieg zum Gipfel erfolgt. Diese Route ist mit einer Länge von 23 Kilometern und einem Höhenunterschied von 2.028 Metern physisch sehr fordernd. Obwohl technisch einfach, erfordert sie eine ausgezeichnete Grundkondition und eine sorgfältige Tourenplanung.  

Übernachtungsmöglichkeiten und Infrastruktur

Das Refugio Poqueira ist eine strategisch wichtige Basisstation. Als bewirtschaftete Hütte ist sie ganzjährig geöffnet, bietet 84 Schlafplätze, Mahlzeiten und Getränke. Eine frühzeitige Buchung wird dringend empfohlen. Für eine minimalistische Übernachtung bieten sich unbewirtschaftete Unterstände wie das Refugio de la Caldera an, die keine Verpflegung oder Decken bereitstellen. Die Möglichkeit, im Refugio Poqueira zu übernachten, erlaubt eine Aufteilung des langen Poqueira-Aufstiegs auf zwei Tage, was die Tour wesentlich angenehmer gestaltet.  

Vorbereitung und Ausrüstung

Trotz der technischen Einfachheit darf die Besteigung des Mulhacén nicht unterschätzt werden. Die Höhe, die Distanz und die schnellen Wetterwechsel erfordern eine angemessene Vorbereitung und Ausrüstung. Unverzichtbar sind festes Schuhwerk, ausreichend Proviant und Wasser, sowie Schutz gegen Sonne, Wind und Regen. Berichte über Unfälle in der Vergangenheit, die auf mangelhafte Ausrüstung zurückzuführen waren, unterstreichen die Notwendigkeit, für die extremen Bedingungen der Höhenlagen gerüstet zu sein.  

 

Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Merkmale der beiden Hauptrouten zusammen.

Route Startpunkt Länge Höhenmeter (Aufstieg) Geschätzte Dauer Schwierigkeit Besonderheiten
Sommerroute Alto del Chorrillo 11,3 km 778 m ca. 4,5 h Moderat (physisch) Einfachster Zugang per Bus-Transfer. Panoramablicke.
Poqueira-Route Kraftwerk Poqueira 23 km 2028 m 7-8 h Schwierig (physisch) Anspruchsvolle Tagestour oder 2-Tagestour mit Hüttenübernachtung.


 

 

Ein Dach über Andalusien

www.suedamerikatours.de/andalusien

Die Sierra Nevada ist ein komplexes geologisches, ökologisches und touristisches System, das eine einzigartige Vielfalt im Süden Spaniens bietet. Ihre Entstehung durch die alpidische Orogenese, die Spuren der Eiszeit und die ausgeprägten Vegetationszonen machen sie zu einem faszinierenden Studienobjekt für Geowissenschaftler und Biologen.

Der Mulhacén, der höchste Punkt dieses Gebirges, verkörpert diese Komplexität in seiner alpinen Bedeutung und seiner historischen Namensgebung. Seine Besteigung, obwohl technisch nicht übermäßig schwierig, ist eine Herausforderung für Ausdauer und Vorbereitung. Die Vielfalt der Aufstiegsrouten – von der mittelschweren Sommertour bis zur anspruchsvollen, langen Wanderung durch das Poqueira-Tal – ermöglicht es jedem, diese Erfahrung an das eigene Können anzupassen. Die Möglichkeit, die Tour mit einer Übernachtung im bewirtschafteten Refugio Poqueira zu planen, unterstreicht die Flexibilität, mit der dieses alpine Abenteuer angegangen werden kann.

Der Aufstieg auf den Mulhacén ist mehr als nur eine Wanderung auf einen Berg; er ist eine Reise in eine Landschaft, die die einzigartige Verbindung von Geographie, Natur und Kultur Andalusiens erlebbar macht.   

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