Über die Geologie und Geschichte der Berge im Avertal in Graubünden - zahlreiche 3000er wie Piz Platta, Piz Piot oder Gletscherhorn

Über die Geologie und Geschichte der Berge im Avertal in Graubünden - zahlreiche 3000er wie Piz Platta, Piz Piot oder Gletscherhorn

Geologischer und geomorphologischer Bericht über die Averser Berge: Tektonik, Gesteinsformationen und ihre Prägung der Landschaft

Dieser Bericht bietet eine detaillierte, fachkundige Analyse der geologischen und geomorphologischen Merkmale der Averser Berge. Er geht über eine einfache Beschreibung hinaus, indem er die kausalen Zusammenhänge zwischen den großräumigen tektonischen Prozessen, der spezifischen petrografischen Zusammensetzung und der einzigartigen Landschaft des Averstals herstellt. Der Bericht untersucht, wie die Position der Region innerhalb der tektonischen Einheit des Penninikums, die von kristallinem Gneis und Glimmerschiefer dominiert wird, ihre Topografie geformt hat. Er beleuchtet zudem den tiefgreifenden Einfluss der quartären Vergletscherung, die die U-förmigen Täler meißelte und greifbare Zeugnisse ihres Verlaufs hinterließ. Darüber hinaus integriert der Bericht die menschliche Dimension und zeigt, wie die einzigartige Geologie und Geomorphologie des Averstals dessen Geschichte, die Besiedlungsmuster der Walser und ihre kulturellen Praktiken direkt beeinflussten, wodurch eine seltene Symbiose von Natur und menschlicher Anpassung in den höchsten Lagen Europas entstand.

 

1. Einleitung: Die Averser Berge im Kontext der Schweizer Alpen

Die Averser Berge sind eine markante Gebirgsgruppe in den Oberhalbsteiner Alpen, die im Kanton Graubünden in der Schweiz liegen. Als Teil der westlichen Zentralalpen ist die Region ein bemerkenswertes Beispiel für das Zusammenspiel von tiefgreifender Erdgeschichte und menschlicher Anpassung an extreme alpine Bedingungen. Das Haupttal, das Averstal, erstreckt sich als ein tief eingeschnittenes Nebental des Hinterrheins über eine Länge von circa 30 Kilometern und ist eine der höchsten, ganzjährig bewohnten Regionen Europas.  

Die historische und kulturelle Bedeutung der Region ist untrennbar mit der Besiedlung durch die Walser verbunden. Ab dem 13. Jahrhundert siedelten sich Walser in diesem Hochtal an und schufen eine bemerkenswerte deutsche Sprachinsel inmitten des rätoromanischen und italienischen Sprachgebiets. Die Ursprünge der Walser-Migration, die viele unkultivierte Weideflächen in den hochalpinen Regionen erschlossen hat, sind Gegenstand intensiver Forschung. Die Gemeinde Avers gilt heute als die höchstgelegene politische Gemeinde der Schweiz, und der zugehörige Weiler Juf ist mit 2126 m ü. M. die höchste ganzjährig bewohnte Siedlung in Europa. Diese einzigartigen geografischen und kulturellen Merkmale sind das direkte Ergebnis der geologischen Entwicklung und der geomorphologischen Prägung der Landschaft.  

 

2. Grundlagen der alpinen Gebirgsbildung: Die Tektonik der Averser Berge

Die Entstehung der Alpen ist das Resultat eines gigantischen, erdgeschichtlichen Prozesses, der vor etwa 50 Millionen Jahren begann. Die Gebirgskette ist ein "junges" Faltengebirge, das durch die massive Kollision der Afrikanischen und der Europäischen Platte aufgefaltet wurde. In diesem langwierigen Prozess wurden die in einem ehemaligen Meer, der Tethys, abgelagerten Sedimente komprimiert, übereinander geschoben und intensiv verfaltet.  

Innerhalb dieser komplexen Alpenstruktur sind die Averser Berge geologisch dem Penninikum zugeordnet, einer tektonischen Einheit, die in den Westalpen weit verbreitet ist. Die Gesteine des Penninikums haben eine bemerkenswerte geologische Geschichte hinter sich: Sie wurden während der Kontinentalkollision tief in die Erdkruste gedrückt, wo sie unter extrem hohem Druck und großer Hitze eine Metamorphose erfuhren. Dieser Prozess hat die ursprünglichen Sedimentgesteine in harte, kristalline Gesteine umgewandelt.  

Die Gesteinszusammensetzung der Averser Berge ist daher keine zufällige Ansammlung, sondern eine direkte Konsequenz ihrer Position innerhalb dieser alpinen Tektonik. Dominierende Gesteinsarten sind Gneis und Glimmerschiefer. Die Metamorphose hat diese Gesteine so widerstandsfähig gemacht, dass sie den anschließenden Erosionskräften anders standhielten als etwa die Kalkgesteine der Nördlichen Kalkalpen oder der Dolomiten. Die physikalischen Eigenschaften dieser Gesteine sind somit der Grundstein für die charakteristische Topografie der Averser Berge, die sich durch weite, gerundete Bergrücken und weniger durch schroffe, zerklüftete Gipfel auszeichnet. Das Verständnis dieser Kausalität ist der Schlüssel zur Analyse der Averser Landschaft.  

 

3. Die Petrographie der Averser Berge: Eine Analyse der Gesteinsformationen

Das Landschaftsbild der Averser Berge wird maßgeblich durch das Vorhandensein von Gneis und Glimmerschiefer geprägt. Gneis, ein hartes metamorphes Gestein, neigt dazu, weitspannige, gerundete Berggewölbe zu bilden, was das Erscheinungsbild vieler Gipfel in den Zentralalpen bestimmt. Glimmerschiefer, ebenfalls ein metamorpher Stein, trägt zur komplexen Struktur der Bergmassive bei.  

Eine weitere, bemerkenswerte petrografische Besonderheit im Averstal ist das Vorkommen von dunkelgrünem Serpentingestein mit eingelagerten Marmorlinsen. Die Präsenz dieser Gesteine liefert ein tiefgehendes Verständnis der tektonischen Prozesse, die die Region geformt haben. Serpentinit entsteht durch die hydrothermale Umwandlung von ultramafischen Gesteinen, die typischerweise im oberen Erdmantel oder an der Grenze zwischen ozeanischer Kruste und Mantel vorkommen. Ihr Vorhandensein an der Oberfläche bedeutet, dass die plattentektonischen Kräfte in dieser Region so extrem waren, dass sie Material aus großer Tiefe (Exhumierung) an die Oberfläche drückten. Die Marmorlinsen sind rekristallisierte Kalkgesteine, die in diese Serpentinitmasse eingeschlossen wurden. Diese geologische Vielfalt hat eine abwechslungsreiche Landschaft geschaffen, die nicht nur von den dominierenden Gneis- und Glimmerschiefer-Formationen, sondern auch von diesen einzigartigen, lokalen Gesteinen geprägt wird.  

 

Tabelle 2 gibt einen Überblick über die wichtigsten geologischen Einheiten der Averser Berge.

Geologische Einheit Gesteinsart Petrographische Merkmale Auswirkung auf die Landschaft
Penninikum (Suretta-Decke) Gneis und Glimmerschiefer

Kristallingestein, stark verfaltet und metamorph umgewandelt aus Sedimenten  




 

Bildung von weiten, gerundeten Berggewölben und widerstandsfähigen Gipfeln  


 

Lokale Vorkommen Serpentinit und Marmor

Dunkelgrünes Serpentingestein mit hellen Marmorlinsen    



 

Zeugnis von Exhumierungsprozessen aus großer Tiefe; schafft lokale, abwechslungsreiche Formationen    


 

 

4. Die Geomorphologie des Averstals: Das Erbe der Eiszeiten

Die heutige Gestalt des Averstals ist in hohem Maße das Ergebnis der letzten Eiszeiten. Die massiven Gletscher, die sich aus verdichtetem Schnee bildeten, flossen unter ihrem enormen Gewicht talwärts und wirkten dabei wie riesige, landschaftsformende Werkzeuge. Während Flüsse typischerweise enge, V-förmige Täler erodieren, meißelten die Gletscher das Averstal zu einem charakteristischen U-förmigen Trogtal aus.   

Die erodierten Gesteinsmassen wurden von den Gletschern mit sich geführt und am Ende der Gletscherausläufer in Form von Moränen abgelagert. Diese sichtbaren geomorphologischen Merkmale, darunter Moränen und U-förmige Täler, sind im Averstal nach wie vor erkennbar und erzählen die Geschichte der glazialen Prägung. Diese geologische Geschichte hat die Bedingungen für die menschliche Besiedlung des Tals maßgeblich beeinflusst. Die Moränenlandschaft lieferte zwar steiniges, aber potenziell fruchtbares Gelände für die Landwirtschaft, während die steilen, durch Gletscher geformten Hänge und Felswände die Migration und Besiedlung in bestimmte Bereiche kanalisierten. Dies führte zur Besetzung von Nischen, die für frühere Bewohner weniger attraktiv waren, was die spätere Ankunft der Walser erklärt.  

5. Die wichtigsten Berge und Gipfel der Region

Die Averser Berge sind von einer Reihe beeindruckender Gipfel umgeben, die den hochalpinen Charakter der Region unterstreichen. Der höchste Berg der Oberhalbsteiner Alpen und zugleich der Averser Berge ist der Piz Platta. Mit einer Höhe von 3392 m ü. M. ist er ein markanter Anziehungspunkt. Seine Form wird aufgrund der spezifischen Gesteinszusammensetzung und der intensiven glazialen Erosion oft mit der des Matterhorns verglichen. Der Piz Platta gehört geologisch zur Suretta-Decke innerhalb des Penninikums.   

Ein weiterer bedeutender Gipfel im Averstal ist der Usser Wissberg, der mit 3053 m ü. M. ebenfalls die Dreitausender-Marke überschreitet. Weitere wichtige Gipfel, die die raue Gebirgslandschaft des Tals prägen, sind das Tälihorn (3163 m), das Jupperhorn (3155 m) und das Tscheischhorn (3018 m). Für Wanderer und Alpinisten ist zu beachten, dass es in der Schweiz ein zweites, weniger hohes Tälihorn mit 2855 m ü. M. gibt. Die Existenz dieser Vielzahl von Dreitausendern rund um das Averstal verdeutlicht die Intensität der tektonischen Auffaltung und der nachfolgenden Erosion durch Gletscher, die diese imposanten Höhenunterschiede zwischen den Gipfeln und den tiefen Tälern schufen.   

 

Die folgende Tabelle listet die wichtigsten Gipfel der Averser Berge und ihre Höhen auf.

Bergname Höhe (m ü. M.) Geografische Lage
Piz Platta 3392

Oberhalbsteiner Alpen / Averser Berge    


 

Usser Wissberg 3053

Averser Berge    



 

Tälihorn 3163

Averser Berge    


 

Jupperhorn 3155

Averser Berge    


 

Tscheischhorn 3018

Averser Berge    


 

 

6. Die Täler und Siedlungen: Eine Symbiose von Mensch und Geologie

Das Averstal, durch das der Averser Rhein fließt, ist ein klassisches Beispiel für ein durch Gletscher geformtes Tal mit steilen Abhängen. Diese geomorphologischen Bedingungen machten das Tal über lange Zeit unattraktiv für eine dauerhafte Besiedlung, insbesondere im Vergleich zu fruchtbareren Tälern. Die Ankunft der Walser im 13. Jahrhundert markiert einen Wendepunkt in der menschlichen Geschichte der Region, da sie sich in dieser vermeintlich unwirtlichen Nische niederließen.   

Die Walser nutzten die geografischen Gegebenheiten, indem sie sich auf Viehzucht und Almwirtschaft in den hochalpinen Regionen oberhalb von 1500 Metern spezialisierten, im Averstal sogar in Höhen über 2000 Metern. Die extremste Manifestation dieser Anpassung ist der Weiler Juf, der mit seiner Höhe von 2126 m ü. M. die höchstgelegene ganzjährig bewohnte Siedlung Europas darstellt. Die rauen klimatischen Bedingungen, wie kalte Wintermonate , sind eine direkte Folge der hochalpinen Geografie, die wiederum durch die geologische Geschichte der Region bedingt ist.  

Ein faszinierendes Beispiel für diese Symbiose von Mensch und Natur sind die uralten Arven- und Lärchenwälder im Capettawald, von denen einige bis zu 600 Jahre alt sind. Ihre Erhaltung ist kein Zufall, sondern das Resultat einer bewussten menschlichen Entscheidung: Anstatt sie als Brennholz zu nutzen, wurden die Bäume von den Hirten zum Schutz ihres Viehs vor schlechtem Wetter erhalten. Die Geologie des Tals hat nicht nur eine geografische Isolation geschaffen, sondern auch die soziale und kulturelle Entwicklung geformt. Die Entstehung einer Walser-Sprachinsel ist eine direkte Konsequenz der Abgeschiedenheit des Tals , was die tiefe Interdependenz von Geologie, Klima und menschlicher Besiedlung eindrucksvoll veranschaulicht

https://www.suedamerikatours.de/alpen/leichte-und-einsame-wanderberge-um-arosa

 

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