Die Besteigung des Huascaran in der Cordillera Blanca ist sehr anspruchsvoll und objektiv gefährlich

Die Besteigung des Huascaran in der Cordillera Blanca ist sehr anspruchsvoll und objektiv gefährlich
Der Nevado Huascarán – gefährliche Besteigungsrouten zum höchsten Berg Perus
Ein geowissenschaftliches und alpinistisches Porträt
Der König der peruanischen Anden

Der Nevado Huascarán ragt majestätisch aus den zentralen Anden empor und ist mit einer Höhe von 6768 Metern nicht nur der höchste Gipfel Perus, sondern auch der höchste Berg der gesamten Tropenzone weltweit. Seine beeindruckende Präsenz hat ihm den respektvollen Beinamen „König der peruanischen Anden“ eingebracht. Als markanter Gipfel in der Cordillera Blanca zieht er Bergsteiger und Reisende aus aller Welt an. Die Besteigung des Huascarán ist dabei ein anspruchsvolles Ziel, das gleichermaßen alpinistisches Können und Respekt vor den Naturgewalten erfordert.  

Der Berg ist nicht nur ein Symbol für den peruanischen Alpinismus, sondern auch das Herzstück des Huascarán-Nationalparks, einem umfassenden Schutzgebiet, das das gesamte Gebirge umfasst. Aufgrund seiner einzigartigen ökologischen und landschaftlichen Bedeutung wurde der Park von der UNESCO sowohl zum Weltnaturerbe als auch zum Biosphärenreservat erklärt. Die Bedeutung des Huascarán reicht somit weit über seine alpinistische Anziehungskraft hinaus, da er ein zentrales Element für das gesamte Ökosystem der Region darstellt. Der vorliegende Bericht beleuchtet die vielschichtige Bedeutung dieses außergewöhnlichen Massivs, beginnend mit seiner geologischen und geografischen Einbettung, über die umgebenden Täler und Orte bis hin zu seiner faszinierenden, aber auch tragischen Besteigungsgeschichte.  

Geografie, Geologie und Geomorphologie der Cordillera Blanca
Die geografische Kulisse

Die Cordillera Blanca, das weltweit höchste tropische Gebirge, erstreckt sich über eine Länge von 180 bis 200 Kilometern in der peruanischen Region Ancash. Sie verläuft parallel zur westlich gelegenen Cordillera Negra, einem Gebirgszug, dem im Gegensatz zur „Weißen Kordillere“ eine permanente Schneedecke fehlt. Dieses markante Nebeneinander zweier paralleler Gebirgsketten bildet das Tal des Callejón de Huaylas, die zentrale Lebensader der Region.  

Das Gebirge erfüllt eine entscheidende hydrologische Funktion, da es eine Kontinentalwasserscheide darstellt. Der westlich davon verlaufende Río Santa entwässert in den Pazifik, während die Flüsse, die an der Ostseite entspringen, wie der Río Marañón, Teil des weitläufigen Amazonas-Einzugsgebiets sind und schließlich in den Atlantik fließen.  

Die geologische Entstehung des Massivs
Die Entstehung des gesamten Anden-Gebirgssystems, zu dem auch die Cordillera Blanca gehört, ist das direkte Resultat eines fortwährenden plattentektonischen Prozesses: die Subduktion der ozeanischen Nazca-Platte unter die kontinentale Südamerikanische Platte. Während dieser Gebirgsbildung, der sogenannten Orogenese, wurden massive Sedimentablagerungen, die sich über Jahrmillionen am westlichen Rand der Südamerikanischen Platte angesammelt hatten, verfaltet und aufgepresst.  

Ein charakteristisches geologisches Merkmal der Cordillera Blanca ist der sogenannte Batholith, ein riesiger, in die Erdkruste eingedrungener und dort erstarrter Pluton. Dieser besteht hauptsächlich aus hartem, erosionsresistentem Granit und Granodiorit. Die bemerkenswerte Höhe der Cordillera Blanca im Vergleich zu ihrer Umgebung ist somit direkt auf die Härte dieser Gesteinsstruktur zurückzuführen. Der Gebirgszug ist über einem sogenannten „flat slab“ (flachen Teilstück) der subduzierten Nazca-Platte positioniert, was eine besondere tektonische Konstellation darstellt und seine geologische Geschichte noch komplexer macht. Die fortdauernde tektonische Aktivität hat nicht nur die Gebirgskette geformt, sondern ist auch die Ursache für die aktive Cordillera Blanca Normal Fault (CBNF). Diese Störung trägt zur anhaltenden Hebung der Gipfel bei, macht die Region jedoch auch anfällig für verheerende Erdbeben und andere geologische Gefahren. Die katastrophale Verbindung zwischen diesen geologischen Prozessen und der menschlichen Besiedlung manifestierte sich auf tragische Weise in den historischen Erdbeben.  

Huascaráns Gipfel und Gletscherlandschaft
Das Huascarán-Massiv ist durch zwei Hauptgipfel gekennzeichnet: den höchsten Punkt, den Huascarán Sur (Südgipfel) mit 6768 Metern, und den Huascarán Norte (Nordgipfel). Die Cordillera Blanca beherbergt die weltweit größte Konzentration an tropischen Gletschern und beheimatet über 800 Gletscherseen. Die bekannten Lagunen von Llanganuco, die sich am Fuße des Huascarán befinden, sind prominente Beispiele für diese spektakuläre Gletscherlandschaft.  

Das rasche Abschmelzen der Gletscher, die seit den 1970er Jahren eine Flächenreduktion von über 15 Prozent erlitten haben, stellt eine der größten ökologischen Herausforderungen für die Region dar. Diese Gletscher sind die primäre Quelle für die Wasserversorgung in den umliegenden Tälern und sichern sowohl die Landwirtschaft als auch die hydroelektrische Energiegewinnung. Die ökologischen Veränderungen durch den globalen Klimawandel haben somit direkte sozioökonomische Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung.  


Das Ökosystem und die angrenzenden Täler und Orte
Der Huascarán-Nationalpark als Schutzgebiet

Der 1975 gegründete Huascarán-Nationalpark wurde 1977 von der UNESCO als Biosphärenreservat und 1985 als Weltnaturerbe anerkannt. Das Schutzgebiet, das sich von 2500 m bis über 6000 m Höhe erstreckt, beherbergt eine einzigartige Artenvielfalt. Die Flora umfasst rund 800 Pflanzenarten, darunter die weltbekannte Puya raimondii, die bis zu 10 Meter hohe Blütenstände ausbildet. Die Fauna des Parks schließt den bedrohten Brillenbären, den Andenkondor und Pumas ein. Auch historisch und kulturell hat der Park eine hohe Bedeutung, da er zahlreiche präkolumbianische Stätten, wie landwirtschaftliche Terrassen, Straßen und Grabstätten, beherbergt.  

Die umliegenden Täler und Städte
Das Callejón de Huaylas, das von der Cordillera Blanca und der Cordillera Negra eingerahmt wird, ist die geografische und wirtschaftliche Lebensader der Region. Der Río Santa, der durch dieses Tal fließt, macht es zu einem der fruchtbarsten Gebiete Perus, was intensive Landwirtschaft ermöglicht.  

Die Stadt Huaraz, gelegen auf 3052 m über dem Meeresspiegel, ist das unbestrittene logistische Zentrum für alle alpinen Unternehmungen in der Region. Sie bietet eine vollständige touristische Infrastruktur, von Hotels und Restaurants bis hin zu spezialisierten Reiseagenturen und Bergführern. Huaraz' strategische Lage und die umfassende Infrastruktur machen die Stadt zu einem entscheidenden Dreh- und Angelpunkt, der mehr als nur ein Aufenthaltsort ist; es ist der obligatorische erste Schritt für jede Expedition in die Cordillera Blanca. Die leichte Erreichbarkeit von Wanderzielen in höheren Lagen von Huaraz aus ermöglicht eine systematische Höhenanpassung, die für die Sicherheit der Bergsteiger unerlässlich ist.  .  

Geschichte und Tragödien am Huascarán
Die alpinistische Erstbesteigung (20. Juli 1932)
Die Erstbesteigung des Huascarán Sur gelang am 20. Juli 1932 einer deutsch-österreichischen Expedition unter der Leitung von Philipp Borchers. Das Team bestand aus Borchers, Erwin Schneider, Wilhelm Bernard, Hermann Hoerlin und Erwin Hein. Die historische Bedeutung dieser Leistung wird noch verstärkt, wenn man die weiteren Erfolge der Expedition in Betracht zieht. Nur 14 Tage später, am 3. August 1932, gelang denselben Bergsteigern auch die Erstbesteigung des benachbarten Chopicalqui. Dies belegt, dass die Expedition die Region nicht nur für eine einzelne Besteigung erkundete, sondern systematisch für den internationalen Alpinismus erschloss, was die Cordillera Blanca als weltweit bedeutendes Hochgebirgsziel etablierte.  

Die Katastrophe von 1970
Die tragische Geschichte des Huascarán ist untrennbar mit der Katastrophe vom 31. Mai 1970 verbunden. Ein verheerendes Erdbeben der Stärke 7,9 löste eine gewaltige Fels- und Eislawine am Nordgipfel des Huascarán aus. Die Lawine raste mit einer Geschwindigkeit von rund 120 km/h zu Tal und begrub die Stadt Yungay, das Dorf Ranrahirca und zehn weitere Siedlungen vollständig unter sich. Schätzungen der Opferzahlen reichen bis zu 70.000 Menschen, was die Tragödie zu einer der tödlichsten Naturkatastrophen in der Geschichte Perus und Lateinamerikas im 20. Jahrhundert machte.  

Die Katastrophe ist das extremste Beispiel für die geologischen Gefahren, die dem Gebirge innewohnen. Die gleiche plattentektonische Aktivität, die den Berg formt und emporhebt, ist auch für die seismischen Ereignisse verantwortlich, die massive Fels- und Eismassen in Bewegung setzen können. Das Unglück hatte weitreichende Konsequenzen für die nationale Sicherheitskultur in Peru und führte zur Gründung des peruanischen Zivilschutzes (Indeci) sowie zur Einführung jährlicher Gedenktage und nationaler Katastrophenübungen.  

Alpinistische Besteigung und Routenführung
Allgemeine Charakteristik

Die Normalroute auf den Huascarán Sur wird als technisch mittelschwer eingestuft (AD, Assez Difficile), gilt aber aufgrund der extremen Höhe und der sich ständig verändernden Gletscherbedingungen als eine sehr ernstzunehmende Hochtour. Die Herausforderung liegt weniger in den technischen Kletterpassagen als in der körperlichen Anstrengung und der Bewältigung der objektiven Gefahren. Aufgrund der inhärenten Risiken wird eine Besteigung ohne einen professionellen, UIAGM-zertifizierten Bergführer dringend abgeraten. Darüber hinaus ist für jede Besteigung eine Genehmigung des Huascarán-Nationalparks (SERNANP) erforderlich.  

Die Normalroute (Huascarán Sur): Eine detaillierte Routenbeschreibung
Die Expedition zur Besteigung des Huascarán erfordert in der Regel ein 6- bis 7-tägiges Programm, das sorgfältig geplant ist, um eine ausreichende Akklimatisierung zu gewährleisten. 

Tag 1: Anreise und Basislager (4200 m): Die Expedition beginnt in Huaraz mit einer Fahrt zum Dorf Musho (2900 m). Von dort aus geht es mit Maultieren auf einem 4- bis 5-stündigen Aufstieg zum Basislager.  
Tag 2: Aufstieg zum Hochlager 1 (ca. 5050-5260 m): Die Route führt über Moränen- und Geröllfelder zum Gletscherrand. Hier beginnt der Aufstieg über den Gletscher, der oft steile Eis- und Firnpassagen aufweist, bevor das Hochlager in einer sicheren Zone errichtet wird. Die Gehzeit beträgt ca. 4-5 Stunden.  
Tag 3: Aufstieg zum Hochlager 2 (ca. 5900-6000 m): Der frühe Aufbruch ist entscheidend. Die Bergsteiger queren große Spaltenzonen und passieren die berüchtigte „Garganta“. Das zweite Hochlager wird in einem geschützten Bereich über diesem gefährlichen Abschnitt errichtet. Die Gehzeit beträgt ca. 6-7 Stunden.  
Tag 4: Gipfeltag (6768 m): Der Gipfelanstieg beginnt in den frühen Morgenstunden, oft bereits zwischen 0:00 Uhr und 1:00 Uhr. Die Route führt über lange, steile Gletscherpassagen mit Neigungen von bis zu 45 Grad und erfordert das Überqueren von Serac-Zonen und Gletscherspalten. Der Gipfelgrat ist meist gut begehbar und bietet einen atemberaubenden Panoramablick auf die gesamte Cordillera Blanca. Der Abstieg erfolgt je nach Kondition und Wetter zum Hochlager 2 oder direkt zum Hochlager 1. Die gesamte Gehzeit am Gipfeltag beträgt 10-14 Stunden.  

Die „Garganta“: Eine kritische Analyse der Gefahren
Die „Garganta“, zu Deutsch „Rachen“, ist der unbestreitbar gefährlichste Abschnitt der Normalroute. Es handelt sich um eine Eisschlucht zwischen den beiden Gipfeln, die ständig von Gletscherspalten, Eistürmen (Seracs) und Lawinen bedroht wird. Die Route durch den zerklüfteten Gletscher ist so unberechenbar, dass sie sich von Jahr zu Jahr ändert. Die objektiven Gefahren in der Garganta sind eine direkte Konsequenz der dynamischen Geomorphologie des Gletschers, die durch den Klimawandel verschärft wird. Der Gletscherrückgang und die erhöhte Instabilität der Eismassen führen zu spontanen Eisschlägen und Lawinen, was diese Passage zu einem der riskantesten Abschnitte der gesamten Hochtour macht.  

Erforderliche Ausrüstung:
Die Besteigung des Huascarán erfordert eine vollständige Hochtourenausrüstung. Dazu gehören neben warmer Kleidung und einem für extreme Kälte ausgelegten Schlafsack auch spezielle Ausrüstungsgegenstände wie Steigeisen, Eispickel, Seile und ein Helm.  

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